Quasimodogeniti

Johannes 20,19-31

 

Am Abend aber desselbigen Sabbat`s, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren, aus Furcht vor den Juden, kam Jesus, und trat mitten ein, und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das sagte, zeigte ihnen die Hände, und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermal zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und da er das sagte, blies er sie an, und spricht zu ihnen: Nehmet hin den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Thomas aber, der Zwölfen einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam. Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, daß ich in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nägelmale, und lege meine Hand in seine Seite, will ich es nicht glauben. Und über acht Tage waren abermal seine Jünger drinnen, und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein, und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deine Finger her, und siehe meine Hände; und reiche deine Hand her, und lege sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr, und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben. Auch viel andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes; und das ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.

1. Diese Geschichte ist geschehen nachdem die Jünger von Emmaus wieder nach Jerusalem gekommen, und den anderen erzählt haben, wie sie den Herrn gesehen haben. Nun hat aber Johannes die Art vor anderen Evangelisten, daß er nicht allein die Geschichte erzählt, sondern auch die Predigt Christi und Worte hinzu setzt, an denen besonders viel gelegen ist. Also meldet er hier die Worte, welche man in den anderen Evangelium nicht findet, wie der Herr damals, nach dem er seinen Jüngern Frieden gewünscht und Hände und Füße gezeigt, zu ihnen gesagt: Wie mich der Vater gesendet hat, also sende ich euch.

2. Das sind treffliche Worte, mit welchen er ihnen das Predigtamt befiehlt, und bringt das Leiden und die Auferstehung Christi in seinen rechten Gebrauch und Übung. Denn wo es außerhalb des Predigtamtes allein geblieben wäre bei der Geschichte, so wäre die Geschichte uns gar nicht zunutze gewesen. Wie man im Papsttum sieht, da hat man die Geschichte recht und gut, wie wir sie haben; aber weil man sie im Predigtamt nicht gebraucht, wie Christus hier befiehlt, bleibt es alles ohne Frucht, eben als wäre es eine Geschichte aus einem Märchenbuch, die man hört und lehrt; aber man hat nicht mehr davon, denn als allein das Wissen. Darum liegt es an dem, daß man die Geschichte vom Leiden und Auferstehung Christi in ihren rechten Gebrauch bringe.

3. Solches aber geschieht auf die Weise, wovon der Herr hier predigt, und spricht: " Ich sende euch, wie mich mein Vater gesendet hat ". Wie nun der Vater Christum gesendet hat, davon lehrt lange zuvor Jesaja im 61. Kapitel 1. 2.: " Der Geist des Herrn ist bei mir, darum hat mich der Herr gesalbet. Er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung, zu predigen ein angenehmes Jahr des Herrn ". Das ist der Befehl, mit dem Christus gesandt ist. Und sagt hier, er sende seine Jünger auch so, wie er gesandt sei, und befehle ihnen dieses bis zum Ende der Welt solch ein Amt, daß er auch geführt hat, daß sie ebenso wie er predigen sollen. Das also dieser Befehl und das Aussenden hier allein auf die Lehre geht, daß die Jünger dieselbe von Christus führen sollen, eben wie er sie in der Welt geführt hat.

4. Was nun solches für eine Lehre ist, sagt Jesaja mit seinen, herrlichen, klaren Worten, daß Christus dazu gesalbet und gesendet ist, daß er soll die erschrockenen, blöden, verzagten Herzen trösten. Welche Predigt nun anders als so geht, das ist dann nicht die rechte Predigt von Christus; Christus hat keine andere Predigt befohlen, eine andere Predigt ist eine Predigt von Mose. Denn Mose predigt so, daß die erschrockenen, blöden Herzen noch mehr erschrecken und verzagt werden. Diese Predigt aber heißt Christi Predigt, dadurch die Elenden getröstet werden. Denn Christus hat mit einem neuen Befehl kommen sollen, darum, daß die Werke, die er ausgerichtet, sind auch neue Werke, die zuvor in der Welt nie geschehen, daß Gottes Sohn gelitten und von den Toten wieder auferstanden ist. Eben wie Jesaja von der Lehre Christi weissagt, also hören wir hier von Christus auch. Denn so lauten des Evangelisten und seine Worte:

Und er blies seine Jünger an, und sprach zur ihnen: Nehmet hin den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünde vergebet, denen sind sie vergeben; welchen ihr sie aber behaltet, denen sind sie behalten.

5. Das ist das rechte geistliche Regiment, welches man ja weit vom weltlichen Regiment unterscheiden soll, so weit als Himmel und Erde von einander unterschieden sind. Die nun in diesem geistlichen Regiment sind, die sind rechte Könige, rechte Fürsten, rechte Herren, und haben zu regieren. Aber hier siehe und lerne, wie solches Regiment eingeschränkt ist und wie weit es geht. Nämlich, wie die Worte klar lauten, so weit die Welt ist; und soll doch sonst mit nichts tun haben, denn mit den Sünden. Es soll weder mit Geld noch Gut, mit der Nahrung, noch allem, was zur Nahrung gehört, umgehen. Mit solchen sollen weltliche Kaiser und Könige, Fürsten und Herren zu tun haben, alles ordnen und machen, wie es dem gemeinen Nutz und Frieden am besten ist. Aber dies geistliche Regiment ist allein auf die Sünden gestellt. Wo die Sünde angeht, da soll dies Regiment auch angehen, und sonst nicht.

6. Denn davor soll man sich hüten, daß man es miteinander menge noch in einander werfe, wieder Papsttum seine Bischöfe getan haben, die das geistliche Regiment so gebraucht haben, daß sie auch weltliche Herren geworden sind und Kaiser und Könige sich vor ihnen bücken müssen. Das hat Christus seinen Jünger nicht befohlen und sie zu weltlichen Regiment nicht ausgesendet; sondern das Predigtamt hat er ihnen befohlen und das Regiment über die Sünde. Das also das Predigtamt eine eigene Sache ist, daß man das Evangelium von Christus predigen, und Sünde den zerschlagenen, furchtsamen Gewissen vergeben, aber den Unbußfertigen und sicheren Sünde behalten und sie binden soll.

7. Solches binden hat der Papst jämmerlich verkehrt, und weit von dem gebracht, daß im Lehramt " binden " heißt; denn er hat es dahin gedeutet, als möge er Gesetz und Ordnung nicht allein in der Kirche, sondern auch in weltlichen Regiment machen, wie es ihm gut tut. Aber diese Meinung hat es nicht. Ich, als ein Prediger und von Christus Gesandter, soll dich nichts vom Haushalten, vom Ackerbau, von der Nahrung, und anderen lehren; denn zu solchem hat dir Gott deine Vernunft gegeben. Wo du aber meinst viele Dinge nicht recht ausrichten zu können, da kannst du weise Leute in dieser Welt zu brauchen, die dir helfen und raten können. Mein Befehl aber und Regiment geht nur auf die Sünde, daß ich dich lehre, wie du deiner Sünden wegen hättest ewig verloren sein müssen, wenn Christus dafür nicht bezahlt und genug getan hätte.

8. Darum steht die ganze Sache dieser Lehre auf dem, daß man wissen soll, was Sünde ist; da Sünde nicht heißt Geld noch Gut, Königreich, Nahrung, Brot, Wein, und anderes; sondern es heißt eine Last, welche dir dein Herz und Gewissen beschwert vor Gott, daß du dich vor seinem Zorn fürchten und der ewigen Verdammnis gedenken mußt. Denn wir reden hier von wahrhaften, rechten Sünden, die Gott für Sünde hält und des ewigen Todes wert sind; nicht von den Sünden mit denen der Papst umgeht, daß einer an einem verbotenen Tag nicht fastet oder Fleisch ist, daß ein Mönch, eine Nonne ohne Schleier geht. Solches sind die Sünden die der Papst vorgibt, vor Gott aber sind es keine Sünden, und verdammen niemand; denn Gott hat solches nicht verboten. Hier aber reden wir von Sünden, daß rechte und wahrhafte Sünden sind, die kein Mensch erdacht hat, sondern darin wir geboren sind und leben, und gegen Gottes Gebot zeugen, und nicht allein der Menschen Gebot. Mit solchen Sünden, sagt der Herr hier, sollen die Apostel umgehen, daß sie es vorgeben, oder binden und behalten sollen. Mit Geld und Gut und weltlichen Handel sollen sie nicht umgehen. Das also in eines Apostel oder Predigers Mund Himmel und Hölle zugleich liegen: wenn du unbußfertig, sicher und Böse sein willst, daß sie dich in die Hölle hinunter werfen können; wiederum, so du deine Sünde erkennst und dich über das Leiden und die Auferstehung Christi tröstest, soll dir der Himmel offen stehen, und ein solches Urteil von den Kirchendiener über dich gesprochen werde, welches der Teufel selbst fürchten muß, und dich von allen Sünden frei zählen, so du es mit rechten Glauben annimmst.

9. Das ist nun eine solche Gewalt, gegen welche Kaiser und Könige Gewalt nichts ist, daß ein Apostel, ja, ein jeder Jünger Christi darf ein Urteil sprechen über die ganze Welt, daß die Sünde fort sein soll. Und solches Urteil soll so gewaltig und gewiß sein, als hätte es Christus selbst gesprochen; wie denn seine Worte hier zeugen: " Wie mich mein Vater gesendet hat, so sende ich euch ".

10. Das ist nun eins,daß die Sünde nicht ein weltliches Ding heißen soll; sondern eine Angst und Beschwerung des Gewissens, daß uns vor Gott verklagt und schuldig macht. Das dient nun auch dazu, daß man sich vorsieht, daß man mit Narrensünden, von denen ich oben gesagt, umgehe. Denn so du dich von diesen Narren-und Lügensünden entbinden lassen willst, so würde folgen, daß du danach dich auch an die Narren -und Lügengerechtigkeit halten müßtest. Darum so merke dieses wohl, daß Sünde heißt, welches uns Gottes Gesetz aufdeckt, und deswegen beschuldigt. Ist es nicht eine solche Sünde, so ist es keine rechte Sünde sondern eine erdachte und gemachte Sünde, von der Gott nichts weiß und uns nicht schadet.

11. Nun sieht man aber, daß viele in rechten, großen, öffentlichen Sünden liegen, als da ist, Geiz, Ehebruch, Dieberei, Wucher, Zorn, Neid, Völlerei, Gotteslästerung, und vieles mehr; und dennoch kümmert sich keiner darum, alle fahren fort. Da hat es an Sünden keinen Mangel, sondern daran, daß man sie nicht erkennen und davon nicht ablassen will. Solche Sünde kann man nicht vergeben, sondern es gehört das binden dazu, und die andere Gewalt, von der Christus hier sagt: " Welchen ihr ihre Sünden behaltet, denen sind sie behalten ".

12. Darum soll man hier einen gewissen Unterschied machen und die rechten Sünden so teilen, daß etliche Sünden zugleich vor uns Sünden sind und vor Gott; etliche aber sind allein vor Gott Sünde und vor uns nicht; denn wir wollen sie nicht erkennen, noch uns darum kümmern, noch um Vergebung bitten. Also sagt David: " Herr, dir habe ich gesündigt, und Übels vor dir getan ". Da ist beides bei einander, daß David sieht, daß er unrecht getan hat, und weiß, daß es Gott übel gefällt. Als wollte er sagen: ich erkenne und fühle die Sünde: nicht allein damit, daß ich daran denke; sondern das ich auch sehe und empfinde der Sünde Kraft, was sie vermag, daß es ein böser Teufel und eine schreckliche Last ist, die mich vor Gott verklagen will, in die Hölle und ewigen Tod reißen. Wie Paulus auch zu den Römern im 7. Kapitel redet, Vers 8. 9: " ohne das Gesetz war die Sünde tot, ich aber lebte etwa ohne das Gesetz ". Das soll heißen: Sünde ist immer in uns: aber weil das Gesetz nicht kommt, so ist die Sünde gleich, als schliefe sie; denn sie tut nicht weh, sie beißt und nagt nicht. Daher kommt es, daß du hingehst, und sammelst eine über die andere; sonst würdest du Gott fürchten und frömmer werden.

13. Wenn aber der Donnerschlag, das Gesetz, in das Herz kommt um rührt das Gewissen; dann wird die Sünde gleich lebendig, daß du siehst, was für ein mächtig Ding sie ist, daß sie dir Gott nimmt, dich dem Teufel übergibt und in die Hölle hinein stößt. Darum spricht Paulus: " Da aber das Gebot kam, ward die Sünde wieder lebendig. Ich aber starb; und es befand sich, daß das Gebot mir zum Tode gereichte, daß mir doch zum Leben gegeben war ".

14. Das ist nun dir rechte Sünde, die vor Gott und mir Sünde ist. Also sieht man an David auch, da er mit Bethseba sündigte, ging er dahin, kümmerte sich wenig darum; denn die Sünde schlief und war noch tot. Aber als Nathan kam und schlug ihm den Donner in das Herz: " Du bist der Mann "; da fing die Sünde in Davids Herz an zu leben. Er aber fing an zu sterben. Aber Nathan tröstet ihn, und sagt: " Nein, du sollst nicht sterben ".

15. Dieses heißt nun der Apostel Regiment, eine Gewalt, die nicht über Leib und Leben, Geld und Gut, und was zu diesem Leben gehört, geht, sondern über rechte Sünde, die du und Gott für Sünde hältst. Das also der ganzen Welt Sünden unterworfen sind den Aposteln und allen Kirchendienern, und im Fall der Not allen Christen; das du in deinem Herzen gewiß sein kannst, wenn du von deinem Pastor, oder wo du den nicht haben kannst, von einem anderen Christen hörst, daß im Namen Christi deine Sünden dir vergeben sein sollen, daß es gewiß wahr sei, und nicht fehlen kann, als wenn dir es Christus selbst gesagt hätte, oder durch einen Engel vom Himmel sagen lassen.

16. Dieser Befehl und diese Macht soll aber den Aposteln und Kirchendienern nicht zum Hochmut oder Pracht dienen; denn sie haben nichts davon: dir aber sollen sie damit dienen, daß du erlöst wirst von dem Feind, der dir zu stark ist, und dich in Ewigkeit ohne diesen Trost gefangen hält. Darum ist es eine große, herrliche Gewalt, daß ein armer Mensch, der selbst ein elender Sünder ist, sich unterstehen darf, den Feind zu vertreiben, dem sonst alle Welt weichen muß. Denn also spricht Christus: " Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen "; also: " Was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein ". Weil nun diese Worte da sind: " Wie mich mein Vater sendet, als so sende ich euch ", so soll niemand zweifeln, wie er Vergebung seiner Sünde hört, also solle er sie auch gewiß haben. Wo aber die Sünde weg ist, da ist des Teufels Gewalt aus; er muß weichen.

17. Das ist auch die Ursache, warum man euch oft vermahnt, weil Christus solche herrliche Macht seiner Kirche gelassen, daß ihr diese gebrauchen und sie nicht verachten sollt. Denn darum setzt der Herr Christus dieses Amt ein, daß dadurch alle Sünden vergeben werden sollen, so es rechte Sünden sind, und man sie erkennt und des Herrn Christi Worten glaubt. Denn die anderen närrischen Menschensünden gehören nicht hierher; es müssen Sünden sein, die das Herz rühren und ängstlich machen.

18. Wie Adam seinen Sohn Kain, auch predigt und sagt: " Ist`s nicht also? wenn du fromm bist, so bist du angenehm; bist du aber nicht fromm, so ruhet die Sünde vor der Tür ". Das ist, du stehst jetzt da und bist ein Sünder; aber du fühlst es noch nicht: die Sünde schläft, aber an einem sehr unruhigen Ort. Darum bedenke, wird sie dir einmal wach werden, so wird es viel anders mit dir werden. Denn sie schläft nicht darum, daß sie immer schlafen will; sondern sie soll einmal aufwachen, das ist, dir ein Gewissen machen, dich schrecken und an dir nagen, daß du nicht weißt, wie du ein oder aus sollst.

19. Die sich nun ihrer Sünden nicht annehmen, die haben rechte Sünde, aber nicht vergebliche Sünde. Deswegen werden ihnen ihre Sünden behalten und gebunden; denn sie begehren nicht, daß sie vergeben werden, sonst würden sie davon ablassen.

20. Im Papsttum hat man so gepredigt: Wer Vergebung der Sünden begehrt, der soll seine Sünden bedenken und sich selbst eine Reue oder Leid schöpfen. Auf solche Reue hat man danach Vergebung der Sünden gegründet. Nun kann es geschehen, daß solche Weise aus dem Beispiel der Alten genommen ist, die eben wie wir keinen die Absolution zusprechen wollten, er bekenne sich denn für einen Sünder, und stelle sich, daß man sehe, daß ihm die Sünde leid ist. Solches ist recht, und soll auch so sein. Aber daß man darum sagen wollte: solches verdiene Reue und Leid, daß die Sünde darum vergeben werden soll; das ist falsch. Denn die Reue ist kein Verdienst, sondern es ist die Sünde selbst und der Sünden Regiment. Da muß man Vergebung der Sünden und die Gnade nicht darauf bauen.

21. Denn bevor es zu solcher Reue kommt, nimmt man sich der Sünden nicht an. Denn obwohl die Sünde da ist, so ist es doch nur eine schlafende und tote Sünde, wie Adam vom Kain sagt. Wenn aber die Sünde lebendig wird, und nicht mehr schläft, sondern greift das Herz und das Gewissen an, und schreckt es, solches kann man ja kein Werk und Verdienst nennen, sondern, wie es Paulus nennt, ist es die rechte und lebendige Sünde. Wer will aber sagen, daß die Sünde könne Gnade verdienen?

22. Darum sind die Leute im Papsttum jämmerlich betrogen und verführt worden, daß man sie auf solche Reue, als auf ein Verdienst und gutes Werk, absolviert hat. Wie der Papst in vielen Schreiben bestätigt hat, die bereut und gebeichtet haben, die sollen Vergebung der Sünden haben. Denn die Reue, wo sie recht ist, ist sie nichts anderes, denn der Sünden Reich und Regiment; das kann aber doch nichts verdienen. Daher hat man Vergebung der Sünden, wenn man dem Befehl Christi hier glaubt, und das Wort, welches aus solchem Befehl und in seinem Namen uns verkündigt wird, mit herzlichem Vertrauen annimmt. Ob es nun wohl nötig ist, wer Vergebung der Sünden herzlich begehrt, daß er sich seine Sünde auch leid sein läßt; so verdient doch solches Leid und Reue nichts. Ja, wo Gott durch den Trost des Evangeliums die Gewissen nicht wieder aufrichten, würde solche Reue und Leid uns gar vom Glauben wegreißen und uns voll Furcht machen.

23. Das heißt denn die Sünde aufdecken, größer und stärker machen, und eben ausrichten und tun, was die Sünde ausrichten soll, daß die Unlust je länger je mehr werde und eine Sünde zu der anderen zuschlage. Eben als wenn ein Dieb gestohlen und dem Henker zum Strick übergeben ist, da bleibt es nicht; daß man dem Gericht und Recht, der Obrigkeit und Gott selbst feind wird. Solche spricht Paulus Römer 7. mit seinen Wort, und sagt in Vers 13: " die Sünde wird überaus sündig durch das Gebot ", das ist, es wird dann eine rechte Sünde. Wo nun die Sünde also diese Wirkung hat, und aus einer Sünde die Welt voller Sünde wird, daß man nie eine Ruhe noch Rast haben kann, das haben sie Reue und Leid geheißen.

24. Wo solches recht im Herzen ist, da kommt dann Christus und spricht: Du bist voller Sünden und denkst je länger je mehr von mir fallen: sollte ich dafür dir die Sünde vergeben? Oh nein. Es muß ja solche Reue und Leid da sein. Denn sonst kannst du der Sünde nicht von Herzen feind werden, wirst auch nicht von Herzen begehren, daß sie dir vergeben werden soll. Das ist aber der rechte Weg, daß du dich so findest, wo mein Wort ist, und dieses hörst und mit Glauben annimmst; damit wirst du von Sünden frei.

25. Auf diese Weise hat man im Papsttum nie gepredigt, sondern die Leute nach Rom oder an andere Orte gewiesen; und danach auf eigene Reue und Genugtuung. Vom Wort aber und dem Befehl Christi haben sie nicht das Geringste gesagt. Aber hier steht es: " Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten ". Darum sollen wir Vergebung der Sünden nirgends anders suchen, denn nur in des Herrn Christi Worten. Wer es aber anderswo sucht, wie im Papsttum geschehen, der wird es nicht finden. Denn was hat es geholfen, daß wir uns mit Fasten, Singen, Beten, Wachen, und anderem gemartert haben, damit wir Vergebung der Sünden bekommen? So es meine Werke, mein Reue und Beichten tun kann, wozu bedarf man denn Christus Wort? Und was bedarf es, daß er den Befehl hier gibt? So laßt uns Türken und Juden sein, die auch glauben, sie wollen selig werden, wenn sie gleich Christus nicht haben. Aber der Papst ist viel schlimmer, denn Türken und Juden; besonders er noch zu solchem Irrtum den Namen Christi mißbraucht.

26. Darum laßt uns das fleißig merken, daß Christus Vergebung der Sünden hier in sein Wort faßt, und nicht mit Almosen und anderen Werken, man heiße sie, wie man will. So nun jemand Vergebung der Sünden begehrt, der gehe zu seinem Pastor, oder zum nächsten Christenmenschen, da er Gottes Wort bei weiß und findet; da soll er auch Vergebung der Sünden gewiß finden. Denn das ist beschlossen, daß wir mit keinen Berg die Sünde überwinden können, sondern alles, was wir tun können, wenn wir uns auch gleich zu Tode marterten, ist umsonst und vergebens. Wie man im Papsttum erfahren hat: Wer ein blödes Gewissen gehabt, und darum in ein Kloster gekommen, oder hat sich andere Werke vorgenommen, daß ihm geholfen und er zufrieden würde, der hat bekennen müssen, daß weder Orden, Beten, Fasten oder anderes ihm hat helfen können.

27. Was ist die Ursache? Anderes nichts, denn das hier steht: daß die Sünden durch das Wort behalten, oder vergeben werden. Darum, wer da nicht kommt in dies Wort, wo Vergebung der Sünden ist, der muß in das andere kommen, dadurch die Sünden behalten werden; denn es ist sonst kein anderer Weg noch ein anderes Mittel zur Vergebung der Sünden, denn das Wort. Darum, man tue, was man will, so werden doch denen ihre Sünden behalten, die zum Wort nicht gehen und mit eigenen Werken sich helfen wollen. Denn unser Herr Gott hat Vergebung der Sünden in kein Werk gelegt, daß wir tun; sondern in das einige Werk, daß Christus gelitten hat und auferstanden ist. Dieses Werke aber hat er durch das Wort in der Apostel und seiner Kirchendiener, ja zur Not in aller Christen Mund, gelegt, daß sie dadurch Vergebung der Sünden austeilen, und allen, die es begehren, verkündigen sollen.

28. Willst du nun Vergebung der Sünden da holen, so sollst du sie gewiß finden. Denn der Befehl ist da, daß man Sünden vergeben soll. Willst du sie aber da nicht holen, so werden deine Sünden behalten, du tust, was du willst. Denn, wie oft gesagt, außer dem Wort ist keine Vergebung der Sünden. Dieses Wort hat Christus seinen Aposteln, ja, allen Christen in den Mund gelegt, wer es daraus nicht nehmen und dem Wort nicht glauben will, der mache und tue, was er will, so werden ihm seine Sünden behalten. Denn da ist der starke Befehl, daß der Herr die Vergebung der Sünde wegnimmt aus aller Welt und allen Werken, und legt sie allein in das Wort, wo man sie finden soll.

29. Nun aber soll man solches nicht allein von der Absolution verstehen, damit man von Sünden entbindet, sondern wie am Anfang gesagt, faßt der Herr hier das ganze Predigtamt oder Kirchenamt mit diesem Befehl zusammen, daß Vergebung der Sünden in der Predigt und in den heiligen Sakramenten verkündigt und ausgeteilt werden soll. Denn darum predigt man das Evangelium, daß die Menschen ihre Sünde erkennen, und fromm und gerecht werden sollen. Also tauft man darum, das uns durch den Tod Christi unsere Sünden vergeben sein sollen. Also, der Herr setzt darum sein Abendmahl ein, daß wir glauben sollen, sein Leib sei für uns gegeben und sein Blut für unsere Sünden vergossen, und also an Vergebung der Sünden nicht zweifeln. Auf das nun der Glaube fest werde, daß dir und mir unsere Sünden vergeben sind, darum hat es Christus so geordnet, daß nicht einer für den anderen sich taufen lassen, oder zum Sakrament gehen soll; sondern ein jeder soll es für sich selbst tun. Also soll auch ein jeder für sich selber daß Wort hören, und die Absolution suchen und begehren. Und soll ja nicht zweifeln, wie er das Wort von Vergebung der Sünden im Namen Jesu hört, es auch so sei, daß seine Sünden von ihm genommen, und er von diesen auch im Himmel und vor Gottes Augen entbunden ist.

30. Also soll man das Wort und die Sakramenten nicht scheiden. Denn Christus hat die Sakramente auch in das Wort gefaßt. Und wo es ohne daß Wort wäre, könnte man sich der Sakramente nicht trösten; ja, man könnte nicht wissen, was die Sakramente wären. Darum ist es nicht allein eine große Blindheit und ein Irrtum, sondern auch ein schrecklicher Jammer, daß die Katholiken von Vergebung der Sünden predigen, und doch das Wort, an dem es allein liegt, vergessen, und die Leute auf ein Affenspiel weisen, daß sie mit eigener Andacht und eigenen Werken Vergebung der Sünden suchen sollen.

31. Weil aber unser lieber Herr Christus die Vergebung der Sünden in das Wort gefaßt, und, wie oft gesagt, den Kirchendienern, und in der Not allen Christen, in den Mund gelegt hat; aus dem folgt, daß man Vergebung der Sünden glauben muß und allein durch den Glauben dazu kommen kann. Wie denn der Grund unserer Lehre dieser ist, daß wir allein durch den Glauben an Christum gerecht und selig werden.

32. Denn du mußt ja bekennen, daß man das Wort unseres lieben Herrn Jesu Christi, welches er seinen lieben Jüngern in den Mund gelegt, nicht fassen kann mit den Händen, noch mit Werken. Der Glaube ist es allein, der solches Wort fassen kann; und das Herz ist allein der rechte Kasten dazu, in den es sich schließen läßt. Daß es also lauter und gewiß ist, daß wir allein durch den Glauben gerecht werden müssen; besonders Vergebung der Sünden allein durch das Wort, daß Wort aber allein durch den Glauben angenommen werden kann.

33. Dieses weiß der Papst und sein ganzer Haufen nicht; ja, sie sind wohl so verstockt, daß sie es nicht wissen wollen. Darum ist Glauben und Wort eins mit dem anderen zurückgeblieben, und sind die armen Leute auf ihrer eigenen Werke, Frömmigkeit und Verdienst gewiesen worden. Nun predigt, daß euch Gott heißt still sein, alle Buben. Es ist aber doch sehr nötig, daß wir immer diese falsche päpstliche Lehre gegen unsere rechte Lehre halten und des päpstlichen Greuels nicht vergessen, auf das wir nicht wieder dahin kommen, und Vergebung der Sünden außer dem Wort, in unseren eigenen Werken suchen. Denn der Herr weist uns hier nicht auf Werke, sondern zu seinem Wort, welches er seinen Jüngern in den Mund gelegt, und sendet sie, eben wie er ist gesandt worden.

34. Wo nun Vergebung der Sünden ist, und die Herzen, wie Petrus sagt, durch den Heiligen Geist gereinigt sind, da werden dann auch aus einem feinen, guten Herzen auch rechtschaffene, feine Früchte wachsen und folgen. Denn der Glaube feiert nicht, und der Heilige Geist treibt immer, seiner Art nach, zu dem Gehorsam, und wider das Fleisch und die Sünde. Gott verleihe uns durch Christum seine Gnade, daß wir solches glauben und erfahren, Amen.